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Drohnen-Urteil der Berliner Verkehrsbetriebe - was steckt dahinter?

Sergej und die Rechtswissenschaft

Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche entschieden, dass Deutschland nichts dagegen tun muss, dass die USA die Ramstein Air Base weiterhin für Drohneneinsätze nutzen. Hier gibt es einmal die Gründe verständlich zusammengefasst (trotzdem viel Text)

Zunächst ist die Natur der Grundrechte zu verstehen. Traditionell und nach wie vor primär sind Grundrechte Abwehrrechte gegen den Staat. Wenn der Staat also in die Sphäre des Bürgers eindringen will, kann der Bürger ihm die Grundrechte entgegenhalten. Will der Staat jemanden festnehmen, so kann der Bürger sich auf sein Recht auf Freiheit gemäß Art. 2 II 1 GG berufen. 

Im Laufe der Zeit hat sich in der deutschen Grundrechtslehre allerdings auch durchgesetzt, dass die Grundrechte eine sog. objektive Werteordnung bilden und die Grundrechte nicht mehr nur Abwehrrechte gegen den Staat sind, sondern der Staat auch verpflichtet ist, die Bürger zu schützen, wenn von Dritten Gefahren für Grundrechte ausgehen.

Das nennt man dann eine Schutzpflicht. Bei diesen Schutzpflichten hat der Staat viel Gestaltungsspielraum, wie er diesem nachkommen kann. Natürlich kann der Staat auch nicht jeden Bürger immer vor allen Gefahren schützen. Das würde dann auch zum Teil mit den Freiheiten anderer wieder kollidieren. Um die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu schützen, könnte man z.B. Autos generell verbieten, damit es keine Unfälle mehr gibt. Damit würde man aber wiederum in die Grundrechte der Bürger eingreifen, die ein Recht zum Autofahren haben. Deshalb muss dort eine gewisse Balance gefunden werden und dem Gesetzgeber steht ein großer Einschätzungsspielraum zu (jur. Einschätzungsprärogative) zu, wie er den Schutzpflichten nachkommen möchte und was er für geeignet hält. 

Art. 1 III GG ordnet an, dass die Grundrechte den Gesetzgeber, die vollziehende Gewalt und die rechtsprechende Gewalt binden. Lange Zeit war umstritten, ob dies nur auf dem Boden der Bundesrepublik oder auch im Ausland gilt, wenn zum Beispiel das Militär oder Nachrichtendienste im Ausland tätig werden. 2020 hat das BVerfG klargestellt, dass die deutsche Staatsgewalt auch beim Handeln im Ausland an die Grundrechte gebunden ist und Art. 1 III GG keine geografische Begrenzung hat.

Das musste einmal zum Verständnis vorweg gesagt werden, um die Entscheidung des BVerfG nachzuvollziehen.

Zunächst stellt das BVerfG klar, dass aus der Grundrechtsbindung im Ausland in Verbindung mit einigen anderen Normen auch ein Schutzauftrag im Ausland besteht.

Wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, kann sich dieser Auftrag dann zu einer Schutzpflicht “verdichten”. 

Das kann dann dazu führen, dass Deutschland einen anderen Staat zur Einhaltung von Völkerrecht bewegen muss. Dazu gehört insbesondere das Recht im Krieg, das auch humanitäres Völkerrecht genannt wird.

Damit diese Schutzpflicht entsteht, müssen zwei Voraussetzungen vorliegen:

  1. Ein hinreichender Bezug zur deutschen Staatsgewalt und
  2. eine ernsthafte Gefahr, dass systematisch humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte verletzt werden.

Da das BVerfG clever ist und sich nicht mehr Arbeit als nötig machen will, haben sie in dieser Entscheidung offen gelassen, ob die erste Voraussetzung erfüllt ist, da die Zweite jedenfalls nicht erfüllt ist.

Da die USA international und in der Gesellschaft nicht unbedingt für das Hochhalten des Völkerrechts bekannt sind, stellt sich die Frage, wie das BVerfG zu dieser Einschätzung kommt.

Vorneweg ist zu sagen, dass das Verfahren eine Verfassungsbeschwerde ist. In der Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung von eigenen Rechten geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer kommen aus dem Jemen. Insofern war vor allem zu prüfen, wie die USA im Jemen agieren und nicht, was sie sonst so überall auf der Welt treiben und getrieben haben.

Zentral für das humanitäre Völkerrecht sind die Unterscheidung zwischen Kämpfern (auch Kombattanten genannt) und Zivilisten sowie das Verbot exzessiver Kollateralschäden. Zivilisten sind keine legitimen Ziele und dürfen im Krieg nicht anvisiert werden. Das Verbot der exzessiven Kollateralschäden schreibt vor, dass man alle möglichen Maßnahmen ergreifen muss, um die zivilen Toten so gering wie möglich zu halten und dass der militärische Vorteil einer Aktion und die zivilen Toten nicht in einem vollkommen übertriebenen Verhältnis stehen dürfen. 

Das BVerfG stellt dann klar, dass a) es für das Vorliegen dieser Gefahr nicht zwingend erforderlich ist, dass es bereits zu Völkerrechtsverstößen gekommen ist, b) gleichzeitig aber auch einzelne Verstöße keine ernste Gefahr begründen können.

Insbesondere auf drei Aspekte geht das BVerfG ein, die eine Gefahr begründen könnten.

 

  1. Die Rechtsauffassung der US-Regierung
  2. kritische Stellungnahmen der UN oder anderer internationaler Organisationen
  3. eine Gesamtbetrachtung

 

Zur Rechtsauffassung der USA führt das BVerfG im Wesentlichen aus, dass die USA andere und umstrittene Kriterien anwenden, um Kombattanten von Zivilisten zu unterscheiden. Das Internationale Rote Kreuz oder auch die Bundesrepublik vertreten diesbezüglich andere Auffassungen. Insbesondere umstritten ist, wie mit Personen und Anhängern nicht staatlicher gewaltsamer Gruppen umzugehen ist. Die USA sehen diese relativ schnell als legitime Ziele an, während andere dort strenger sind.Generell haben die USA eine zu ihren Gunsten sehr weite Auffassung des humanitären Völkerrechts, diese ist aber noch vertretbar und steht auch nicht in klarem Widerspruch zu Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht. Insgesamt findet am Ende eine Differenzierung statt und diese Kriterien sind auch vertretbar.

Zum zweiten Aspekt führt das BVerfG aus, dass auch hier keine ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen. Zwar gäbe es eine hohe Anzahl an zivilen Toten, diese sagt aber ohne das Verhältnis zu den Kombattanten oder nachgewiesenen Verstößen gegen das Verbot exzessiver Kollateralschäden für sich genommen nichts aus.

Es liegen zwar einige Berichte vor, die sich um die Einhaltung des Völkerrechts sorgen, allerdings kritisieren diese vor allem auch die Abgrenzungskriterien der USA und fehlende Transparenz, das kann für allerdings noch nicht mit hinreichender Sicherheit eine Gefahr für ernsthafte und systematische Verletzungen des humanitären Völkerrechts begründen.

Zu guter Letzt widmet sich das BVerfG noch dem letzten Punkt, einer wertenden Gesamtbetrachtung. Hier wird erneut angeführt, dass es viel Kritik zu den Einsätzen der USA selbst wie aber auch zu der Einsatzpraxis gibt. Allerdings begründet das immer noch keine ernsthafte systematische Gefahr. Zwar gäbe es nur eingeschränkten Rechtsschutz und fehlende Transparenz - jedoch ist es in der Gesamtschau zu wenig. Zumal einzelne Verstöße gegen das Völkerrecht oder auch ein erhöhtes Risiko für Völkerrechtsverletzungen durch umstrittene Kriterien eben keine ernsthafte Gefahr für systematische Völkerrechtsverstöße begründen können.

Zudem hätten die USA in den letzten Jahren die eigenen Standards zur Vermeidung ziviler Tote und Transparenz erhöht.

Das BVerfG verliert außerdem noch einige Worte zur Diplomatie, die von der Verfassung geboten wird; es schreibt: “Geht es – wie hier – um ein möglicherweise völkerrechtswidriges Handeln eines Drittstaats, ist zugleich zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz die Bundesrepublik Deutschland mit der Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2, Art. 23 bis Art. 26 und Art. 59 Abs. 2 GG in die internationale Gemeinschaft eingebunden und die deutsche öffentliche Gewalt programmatisch auf internationale Zusammenarbeit ausgerichtet hat [...]. Um dies zu erreichen, ist der deutsche Staat unter anderem darauf angewiesen, in der internationalen Gemeinschaft als angesehener, berechenbarer und verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden. Dementsprechend ist die Sicherstellung der außenpolitischen Handlungs- und Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Teilhabe an der internationalen Zusammenarbeit [...] dem Grundgesetz als Ziel immanent. Mit dieser Zielsetzung wäre eine dauernde und umfassende Überwachungspflicht etwa hinsichtlich des Handelns in Deutschland stationierter Truppen verbündeter Staaten nicht vereinbar. Bei der Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich um ein Verfassungsgut, das bei der Konkretisierung extraterritorialer Schutzpflichten zu berücksichtigen ist [...]. Selbst wenn die zuvor aufgeführten Kritikpunkte das Risiko des Auftretens von Verletzungen der völkerrechtlichen Regeln zum Schutz des Lebens erhöhen sollten, rechtfertigt dies nicht die Prognose, dass derartige Verletzungen systematisch vorgenommen werden. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA mag es im Einzelnen unterschiedliche Verständnisse hinsichtlich der Reichweite der gemeinsamen völkerrechtlichen Verpflichtungen geben. Dadurch wird das grundsätzlich zwischen Bündnispartnern herrschende Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Handelns des anderen aber jedenfalls so lange nicht infrage gestellt, wie sich die von der Bundesrepublik Deutschland abweichende Rechtsauffassung der USA im Rahmen des völkerrechtlich Vertretbaren hält. Dies ist hier der Fall.” 

 

Wie das zu interpretieren ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.

Im Ergebnis liegt damit keine Gefahr für systematische Völkerrechtsverstöße vor. 

Deshalb hat Deutschland keine Schutzpflicht. Die Bundesrepublik Deutschland muss demnach erstmals nichts gegen die Ramstein Air Base tun.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

 

Selbstverständlich ist dies eine vereinfachte Zusammenfassung. Ich hoffe, es war verständlich. Freilich empfehle ich jedem, die Entscheidung selbst zu lesen. Alles vor Randnummer 80 kann man sich übrigens sparen ;-)

BVerfG Az.: 2 BvR 508/21

Legalität von Seeblockaden

Sergej und die Rechtswissenschaft

Die Blockade von Gewässern in einem bewaffneten Konflikt ist ein legitimes Mittel der Kriegsführung. Schiffe, die diese versuchen zu durchbrechen, können notfalls gewaltsam aufgehalten werden.

Tatsächlich besteht dazu sogar eine völkerrechtliche Pflicht.

 

Quelle: Art. 93 ff. San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea, 12 June 1994

Witz des Tages Nr 329 [Staffel 4]

Witz des Tages

„Wer nicht tanzt ist indiscotabel!“

Jawoll Jaa!!! Endlich wieder ein Witz vom Chefredakteur persönlich, ich hoffe ihr habt es alle vermisst. Das ist ein gutes Wortspiel, denn wenn man in einer Disse feiert, muss man tanzen. Nicht tanzen geht nicht, also wie wenn ein Sachverhalt indiskutabel ist. :-D

Lg Linus

Leiter Redaktion

Witz des Tages Nr 328 [Staffel 4]

Witz des Tages

„Egal wie sauer du bist, es gibt Dinos, die sind Saurier!“

HAHAHAHAHA! Der war voll gut. Das ist lustig, weil Dino die Abk. (Abk. ist die Abk. von Abk) für Dinosaurier ist!
Der Witz besteht darin, dass der Komparativ von sauer nicht saurier ist. 
Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gestartet!

Lg
Colin

Normverwerfungskompetenz bei vorkonstitutionellen Gesetzen

Sergej und die Rechtswissenschaft

Während die Verwerfungskompetenz für nachkonstitutionelle Gesetze bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) liegt, können vorkonstitutionelle Gesetze (Gesetze von vor 1949) von jedem Gericht für verfassungswidrig erklärt und nicht angwendet werden.

Die Prüfungskompetenz ist das Recht, ein Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen. Die steht jeder Behörde und jedem Gericht zu. Praktisch auch so jedem Bürger.

Die Verwerfungskompetenz allerdings, also die Kompetenz, nach erfolgter Prüfung die Norm ggf. nicht anzuwenden und für verfassungswidrig zu erklären, hat eigentlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Damit soll die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers gewahrt werden. Nicht jedes Gericht oder Behörde soll nach Gutdünken dessen Entscheidungen ignorieren. Darüber hinaus wird so eine Rechtszersplitterung vermieden.

Vorkonsitutionelle Gesetze hingegen sind nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber des Grundgesetzes erlassen worden und verdienen somit keinen besonderen Schutz. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Nichtanwendung nur den Einzelfall vor diesem Gericht dann betrifft und Fachgerichte ein Gesetz nicht allgemeingültig für verfassungswidrig erklären können. Das kann weiterhin nur das BVerfG.
Witzigerweise können die Gerichte ein solches Gesetz aber nicht dem BVerfG genau zu diesem Zweck vorlegen, da Vorlagegegenstand einer konkreten Normenkontrolle (NK) nur nachkonstitutionelle Gesetze sein können.
Das ginge also nur im Wege der abstrakten NK.
Führt aber auch alles schon wieder zu weit...

 

Quelle: BVerfG Az.: 1 BvL 21/51
 

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Lg
Colin

Witz des Tages Nr 326 [Staffel 4]

Witz des Tages

„Was macht eine Bombe im Bordell? Puff!“

HAHAHAHAHAHA! Der war echt gut. Kaum zu glauben, dass wir den Witz noch nicht hatten.
Und damit der erste Witz des Jahres.

Ich hoffe, es geht euch allen gut.

Jetzt neu: Mit einer Mail (mail) an jura@radio-stuss.de könnt ihr nach Gesetzen suchen. Ein super Service unserer Rechtsabteilung!!
voll geil! cool! yo. coolyes

Nummer 326 steht bei der VGF übrigens für die U-Bahn-Station Heerstraße.

Lg
Colinheart